Adams Liebesgeschichte

Wieso gehe ich ins kalte Wasser?
Kurz und auf den Punkt: Weil mich das glücklich macht!

Es gab im Oktober keinen triftigen Grund, wieso ich in einem kalten See schwimmen sollte.
Es gab sogar sehr viele Grunde es NICHT zu tun.
Der erste – und plausibelste: Das Wasser war kalt. Es war nur 12 Grad warm. Das ist nicht viel.
Der zweite: man (also ich Mann, volle Kraft und in seinen Fünfzigern) könnte sich erkälten, Husten, Lungen- oder Gelenkentzündung bekommen, oder sogar noch etwas Exklusives erwischen und eventuell sterben.
Einfach so.

Man macht sowas nicht!

Nicht hier in Bayern und vor allem nicht im Herbst. Und wenn schon dann bitte mit Neoprenanzug, Schuhen, Handschuhen und Kopfhaube. Um noch mal auf der sicheren Seite zu bleiben, vielleicht einen Rettungsring nehmen, falls einem schwindlig wird, ein Krampf die Glieder erwischt oder man in Wassernot gerät.
Das Problem war aber: Ich wollte rein, unbedingt.
Am besten gleich oder morgen, aber auf jeden Fall diese Woche. Und wenn ich es nicht mache dann… ja was dann? Das wusste ich nicht was dann passiert, auf jedem Fall werde ich was verpassen. Etwas, was für mich sehr wichtig sein kann.

Natürlich bin ich nicht sofort rein gesprungen. Die fünfzig Jahre der Konditionierung gehen an einem wie mich nicht spurlos vorbei. Außerdem hatte ich Angst. Ein richtiges, greifbares Gefühl der Angst. Die Ungewissheit, was in meinem Körper passiert, wenn ich in die Fluten springe. Bleibt das Herz stehen, bekomme ich Schnappatmung oder werden meine Augen erfrieren und ich werde blind? Lauter Quatsch ging mir durch den Kopf. Alles Unsinn den ich irgendwo gehört hatte und das meiste betraf sowieso nicht das Kaltwasserschwimmen, aber trotzdem hat mir meine Angst das alles vor Augen geführt.
Bereits nach einer kurzen Recherche im Netz, habe ich erfahren, dass es Überlebende gibt. Leute die tatsächlich das Schwimmen im kalten Wasser nicht nur überlebt haben, sondern es sogar regelmäßig mit Freude machen. Nein, ich war nicht beruhigt, aber zumindest nicht mehr panisch.

Ich werde es machen – und ich werde es überleben.

Also, los geht’s. Handtuch und Thermoskanne mit Tee eingepackt, warme Klamotten angezogen und ab mit dem Fahrrad zum See.
Ich habe vorsichtshalber einen See gewählt, wo es viele Spaziergänger gibt, um im Falle eines Falles jemanden zu haben, der die Polizei, Rettungsdienst und die Wasserwacht alarmieren kann.
Ja, Panik hoch drei. Und dann wurde es endlich ernst. Ich zog meine Kleidung aus und nur in Badehose ging ich in den See.
Die Luft blieb mir weg, das Herz machte einen Sprung und mir wurde schwindlig, aber ich war im See, umgeben von „kaltem“ Wasser. Ich war glücklich, einfach so. Ich spürte jede Zelle meines Körpers wie sie sich mit der Kälte füllt. Jeder Quadratzentimeter meiner Haut wurde von kleinsten Nadeln gepiekt mit so einer Intensität, die ich noch nie gespürt habe. Mein Glück war mit Furcht gemischt und ich konnte mich nicht entscheiden, wie es mir geht. Ist das gut was ich jetzt spüre, oder ist das schlecht und was ist das überhaupt? Nach einer kleinen Ewigkeit hat das Glück gewonnen und ich bin sogar ein paar Züge geschwommen. Nach diesen 20 oder 30 Metern habe ich das Wasser verlassen und fühlte mich so stark wie selten in letzter Zeit. Es hat sich eine neue Empfindung eingestellt. Als ob ich jetzt einen neuen Mentor gewonnen hätte, der mich ab sofort unterstützt. Ich nahm Gefühle der Stärke und Dankbarkeit wahr.
Seitdem bin ich nun oft schwimmen gegangen und mache das ziemlich regelmäßig. Zwei, drei Mal die Woche lasse ich mich ins kühle Nass sinken und genieße meine 10 Minuten Ewigkeit im See. Es ist jedes Mal anders, weil sich der Körper an das Wasser und die Temperaturen gewöhnt. Die Intensität lässt nicht nach, aber verändert sich. Man wird in die Mitte der Zeit geführt und darf da kurz verweilen.

Durch die Überwindung der Abneigung zum kalten Wasser entwickelt man eine innere Stärke, die sehr motivierend und aufbauend ist. Man hat das geschafft und überwindet sich immer wieder – also kann man alles was man sich vornimmt, schaffen.
Dazu kommt, das fast „mystische“ Reinigungsgefühl bei mir hoch, das höchstwahrscheinlich durch die Adrenalin- und Glückshormonausschüttung hervorgerufen wird. Diese Gefühle sind natürlich mit unserer Körperchemie erklärbar.
Das kalte, klare Wasser des Sees regt die Durchblutung des Körpers an und dadurch wird unser Immunsystem gestärkt. Sich bewusst dieser Stresssituation auszusetzen, ruft Endorphine auf den Plan – den Rest besorgt unsere Imagination. Ganz einfach, nicht wahr? Und dazu sogar fast banal, aber… Es ist für mich jedes Mal ein sehr meditatives Erlebnis und eine Art geistige Reinigung hin zu mehr Klarheit und innerer Stärke, die ich persönlich nicht mehr missen möchte.

Nachwort: Es sollte aber jedem bewusst sein, dass das auch gefährlich sein kann. Es ist kein Wettbewerb nach dem Motto „Wer kann länger“.
Wir alle sind von der Zivilisation verzogen und brauchen eine längere Vorbereitung. Besonders jetzt, wo die Wassertemperaturen um die drei Grad plus und Luft in Minusgraden liegt.
Es sollte auch der Hausarzt konsultiert werden und auf jeden Fall, bevor man in einen See reingeht, erst mal paar Wochen kalt duschen. Das hilft und ist eine gute Vorbereitung.

von

Adam badet seit Oktober 2020 in kaltem Wasser. Neu im Nass ist er aber dennoch nicht, Adam ist der Taucher und Rettungsschwimmer der Truppe. Es gibt wenig, das Adam in seinem Leben noch nicht ausprobiert hat und trotzdem ist er immer neugierig und wissbegierig. Er kocht den besten Tee in unserer Crew und erzählt die besten Geschichten. Und wenn alle anderen schon bibbern und frieren, fährt er nach dem Bad mit dem Rad nach Hause. Bei Wind und Wetter.

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1 Kommentar

  1. Andi

    Adam, unser ganz persönlicher Wim Hof! <3

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